Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Sie schrauben sich hoch wie der Rauch aus einem Schornstein. Hatte ich doch richtig gespürt. Der Rauch kommt aus einem Schornstein in der Mitte des
Zeltes.
Im Zelt wird geheizt und gefeuert. Der Wächter am Eingang trägt eine speerähnliche Waffe. Sie ist ein Ausrüstungsgegenstand seines Seins. Er IST. Diesmal ein Torhüter mit Speer. Der Speer ist
sein Ausweis. Jeder weiß, welche Rechte der Torhüter hat. Nur mit diesem Gegenstand alleine legitimiert er sich für diese Aufgabe. Für sonst nichts. Sagt der Speer etwas über die wahre Stärke
seines Trägers aus? Ich denke nicht. Aber vielleicht lockt der Speer seinem Träger das letzte Quäntchen Mut heraus, das den Unterschied zwischen einem Feigling und einem Helden
ausmacht.
Als er uns sieht, zieht er mit einer Hand den schweren Vorhang auseinander und deutet uns mit einladender Geste und geöffneter Handfläche, doch eintreten zu wollen. Ich muss mich leicht bücken,
um nicht mit dem Kopf am Torrahmen anzuschlagen. Kharim krallt sich jetzt noch fester an meinen Unterarm. Ich kann seine Krallen fast einzeln durch das Leder spüren. Es erfordert ziemlichen
Kraftaufwand, Kharim im Gleichgewicht zu halten. Er öffnet kurz seine Flügel um auszubalancieren und sitzt dann wieder fest und stolz im Sattel.
Alle Blicke haften an uns. Dem erwarteten Höhepunkt des Festes. Ja, jetzt weiß ich, es ist ein Fest. Und wir geben ihnen die Ehre zu erscheinen. Der König des Himmels und der König der Erde. Der
Himmel ist endlos, die Erde begrenzt. Und schmerzlich wird mir wieder bewusst, dass Kharim mir bei weitem überlegen ist. Er ist so sicher, weil er weiß, dass ich es weiß. Und in diesem Wissen
bleibt er im Vertrauen. Er hat ja alle Freiheit. Die unendliche Freiheit, die ich mir nahm, sobald ich den ersten Schritt auf die Erde setzte. Mit diesem ersten Schritt war es besiegelt. Die
Schwere spüren wollte ich. Mich ihr stellen. Und jetzt stehe ich da. Halte mich krampfhaft an meiner letzten Hoffnung Freiheit an. Streiche ihr übers Gefieder und meine Augen werden feucht. Ich
bin froh, dass Kharim die Kapuze über dem Kopf trägt. So kann er meine Schwäche nicht sehen. Nein, nicht meine Schwäche, sondern meine Sehnsucht. Und doch kann ich es vor ihm nicht verstecken.
Eine kleine Bewegung mit seinem Kopf macht mir klar, dass er versteht.